Mittwoch, 31. Juli 2013

Von Hummern und Meeresträumen



Manchmal frage ich mich, was für Menschen in den Verlagen eigentlich für die Buchcover zuständig sind. Wenn ich mich in der U-Bahn für mein Buch schämen muss, weil der eigentlich gute Roman sich hinter einem Cover versteckt, das ganz laut „Ich-bin-Frauen-Kitsch“ ruft, dann bin ich kurz davor mir so eine Stoffhülle zuzulegen. Andererseits, wenn ich in der U-Bahn Menschen sehe, die ihre Bücher hinter so einer Stoffhülle verstecken, gehe ich direkt davon aus, dass sie Shades of Grey lesen. Oder 10 Tipps zum Männer fangen. Oder noch Schlimmeres.
Rubinrotes Herz, Eisblaue See ist so ein Buch, das ich lieber auf dem Sofa als in der Öffentlichkeit gelesen habe. Ich habe es schon zweimal verschenkt und jedes Mal noch während des Auspackens laut gerufen "bitte, bitte nicht auf's Cover achten". Es ist kein Frauen-Schund und auch nicht kitschig. Versprochen. Und ja, der Titel klingt auch nicht gerade verlockend… 

Kitschiges Cover in kitschiger Umgebung

Handlung
Florine wächst an der Küste Maines auf, ihr Vater ist Hummerfischer und ihre Großmutter die von allen geliebte Dorf-Älteste. Ihre Mutter Carlie ist anders als die anderen Mütter – und verschwindet als Florine elf Jahre alt ist von einem Tag auf den anderen. Das Mädchen weigert sich ein Leben ohne ihre Mutter zu akzeptieren. Doch auch sie kann die Zeit nicht einfach anhalten.

Meine Sicht
Ich wollte schon seit Jahren einmal nach Maine, an die Ostküste der USA reisen. Durch einige tolle Bücher, die dort spielen (und eine Jugendbuchreihe, für die ich mich inzwischen ein wenig schäme), verliebte ich mich in die noch nie gesehene Schärenküste. Im letzten Jahr war ich dann endlich dort. Und es war genauso wunderbar wie erwartet. Die kleinen Fischerdörfchen, die vom Meer gezeichneten Holzhäuser und natürlich der unglaublich leckere Hummer.
Auch Rubinrotes Herz, Eisblaue See spielt in so einem kleinen, verschlafenen Dörfchen, indem jeder jeden kennt und nur wenig unentdeckt bleibt. Die Dorfgemeinschaft wird sehr liebevoll geschildert und man möchte zu gerne einmal mit Florines bester Freundin bowlen oder mit ihrem Vater und den anderen Fischern auf's Meer hinausfahren. Das Buch begleitet Florine von ihrem zwölften bis zu ihrem achtzehnten Lebensjahr. Sie kommt in die Pubertät, verliebt sich, fragt sich, was sie mit ihrem Leben anfangen soll. Und lernt mit Verlusten umzugehen. Der Roman ist gut geschrieben, mit tollen Dialogen, teilweise habe ich laut gelacht. Zum Beispiel an dieser Stelle: „Im März wurde ein Mädchen auf dem Schulflur verrückt. Ich war es nicht.“ 

Als Geschenk für: Mama, Freundinnen, Tanten (ja, auch wenn’s kein „Frauen-Kitsch“ ist, ist es doch eher ein Buch für Frauen)
Spannungsfaktor: 7 von 10
Wahrer Satz: „Ach, Florine“, seufzte Grand. „Warum musst du nur immerzu kämpfen?“
Verliebt in: Bud, Florines besten Freund. Wunderbar schweigsamer Kerl und genau das, was eine pubertierende 13-Jährige braucht.

Mittwoch, 24. Juli 2013

Perfektes Lesen

Am liebsten lese ich im Urlaub. Liegend am Strand. Sitzend gegen einen Baum gelehnt. Wartend an irgendeinem Flughafen. Aber ich lese natürlich auch überall sonst. Eingequetscht in der UBahn. Ausgestreckt auf dem Sofa. Oder todmüde im Bett. Ich brauche meine tägliche Dosis an gedruckten Worten. Und genieße es auch immer. Nur geht eben nichts über ganz viel lesen am Stück. Wenn ich so richtig in einer Geschichte versinke, Stunde um Stunde, Seite um Seite einfach immer weiter lese. Wenn ich irgendwann aus einer Bücher-Welt wieder erwache und merke, dass meine Gedankensprache sich der Büchersprache angepasst hat (Das ist zugegebenermaßen manchmal ganz schön gruselig).

Das alles geht meist nur im Urlaub. Meine letzte Reise war nicht lang, eine Woche einfach mal rauskommen war geplant. Ein bisschen Sonne und Wärme, ein bisschen was angucken und ganz viel entspannen. Für mich gleichzusetzten mit: Und ganz viel lesen. In meinem Gepäck befand sich Die Kunst des Feldspiels von Chad Harbach. Ich hatte auf dem wunderbaren Blog Slomo über das Buch gelesen, war aber wie so oft zu sparsam um direkt zuzugreifen. Als Taschenbuch wird es Die Kunst des Feldspiels nämlich erst ab Ende August geben. Doch durch die liebe M. landete der Debütroman von Mister Harbach zuerst auf meinem Geburtstagstisch und dann in meinem Koffer. Lange Rede, kurzer Sinn: (Bisher) Das Beste Buch des Jahres!

Die Handlung
Henry erwartet eigentlich nicht allzu viel vom Leben. Der schüchterne, aber unglaublich talentierte Junge will einfach nur Baseball spielen. Und das ermöglicht ihm Mike Schwartz, sein zukünftiger Mentor, der ihn entdeckt und zum Baseballspielen an das Westish College holt. Dort verstrickt sich Henrys Geschichte mit der von Rektor Affenlight, der sein ganzes Leben der Liebe wegen auf den Kopf stellt, seiner Tochter Pella, die vor ihrer Ehe und sich selbst flüchtet und Henrys schwulem Mitbewohner Owen, der neben dem blassen Baseballtalent umso schillernder erscheint. Und natürlich Mike Schwartz, der trotz aller Zielstrebigkeit den eigenen Weg aus den Augen verliert. Im Laufe des Buches wird das Leben dieser kleinen Truppe ordentlich durcheinander gewirbelt. Besonders als das Jahrhunderttalent Henry plötzlich nicht mehr werfen kann.

Meine Sicht
Ich war während des Lesens hin und her gerissen. Zum einen wollte ich gar nicht aufhören, so unglaublich gut ist dieser Roman geschrieben. Zum anderen habe ich mich immer wieder zu kleinen Pausen gezwungen, damit die Geschichte nicht zu schnell zu Ende geht (Na gut, und um im Meer zu baden…). Es ist eines dieser ganz besonderen Bücher. Weise, ohne belehrend zu sein. Berührend, ohne auf die Tränendrüse zu drücken. Und mit Charakteren, die einem ans Herz wachsen, aber trotzdem nie zu nah kommen.
Chad Harbach lässt die Geschehnisse am Westish College abwechselnd aus der Sicht seiner Hauptpersonen erzählen. Dieser erzählerische Kniff klappt nicht immer. Doch Die Kunst des Feldspiels schafft es, jeder Person eine ganz eigene Stimme zu geben und trotzdem den roten Faden nie zu verlieren. Auch wenn ich diesen Satz nicht mag: Es ist ein Buch übers Erwachsen werden. Es probiert uns daran zu erinnern, wer wir wirklich sind und was wir tief in unserem Herzen wollen. Und macht gleichzeitig klar, dass niemand vor lebensveränderten Begegnungen sicher ist.

Ein schlaues, ein witziges, ein spannendes, ein einfach rundum perfektes Buch. Punkt.

Als Geschenk für: die beste Freundin/den besten Freund, alle Suchenden
Spannungsfaktor: 8 von 10
Weise Sätze: Und dennoch gab es immer eine Chance, dass diesmal alles klappen würde. Der nächste Versuch war immer der, bei dem alles klappen würde.
Witzigster Name: Guert Affenlight

Mittwoch, 17. Juli 2013

Was-immer-geht

Fragen nach der Lieblingsfarbe, dem Lieblingsessen, dem Lieblingsfilm oder dem Lieblingslied haben mir schon in der Schule Kopfweh bereitet. Es gibt so viele tolle Filme, tolles Essen und tolle Lieder. Da will man sich doch gar nicht entscheiden. Warum auch? Trotzdem taucht die berüchtigte „Lieblings"-Frage immer wieder auf. Und schon in der Zeit der Poesiealben habe ich für mich und ganz heimlich aus „Lieblings“ ein „Was-immer-geht“ gemacht. Pizza zum Beispiel geht immer. Egal wie es mir geht, Pizza kann ich immer essen. Zur Not auch kalt oder richtig schön fettig morgens um drei – Pizza macht mich immer glücklich. Kein Essen, von dem man noch Tage später begeistert erzählt. Aber ein richtiges „Geht-immer“.

So habe ich auch kein Lieblingsbuch. In meinem Regal stehen so viele tolle Bücher. Manche haben mich zum weinen, andere zum nachdenken oder zum lachen  gebracht– die besten unter ihnen haben alles gleichzeitig geschafft. Mich da auf eines festzulegen, gelingt mir einfach nicht. Aber eines unter ihnen geht einfach immer: Es muss nicht immer Kaviar sein von Johannes Mario Simmel. Ich habe es vor ungefähr 15 Jahren im Bücherregal meiner Eltern entdeckt und seitdem immer wieder gelesen.

Die Handlung
Der deutsche Privatbankier Thomas Lieven lebt in London und ist bereits in jungen Jahren sehr erfolgreich. Im Jahr 1939 wird er während einer Geschäftsreise nach Deutschland von der Gestapo verhaftet. Und wird zum Geheimagenten wider Willen. Er stolpert während des zweiten Weltkrieges und der Jahre des Kalten Krieges von einem Geheimdienst zum nächsten. Dabei betört er so manche Frau und kocht das ein oder andere Drei-Gänge-Menü. Lieven ist dabei eine Art James Bond. Denn auch wenn es ihm lange Zeit nicht gelingt, in Frieden und unbehelligt zu leben, so fällt er doch immer wieder auf die Füße. Und weiß in jeder noch so verrückten Situation Rat.

Meine Sicht
Das Buch entführt einen in die Welt der Geheimdienste. So manch ein unfähiger Agent erinnert an tollpatschige Gesellen in schwarz-weiß, die über ihre eigenen Füße fallen. Eine Geschichte jagd die nächste, mit einem roten Faden hält sich Herr Simmel nicht auf. Dafür erweckt er durch genaue Angaben zu Zeitpunkt und Ort der Ereignisse immer wieder den Eindruck einer wahren Geschichte.
Dieses Buch unvoreingenommen zu bewerten fällt mir schwer. Dafür lese ich es einfach schon zu lange und mit zu vielen eigenen Erinnerungen. Ich habe es aus dem Bücherregal meiner Eltern geklaut und heute steht die bereits etwas zerfledderte  Ausgabe  in meinem Wohnzimmer. Ich mag Thomas Lieven einfach. Er ist einer dieser Helden, wie sie vor den depressiven und meist leicht angetrunkenen Skandinaviern noch existierten. Und ja, er ist recht eindimensional erzählt.
Aber das Buch versucht nie mehr zu sein als es ist: Eine Sammlung von spannenden und lustigen Agentengeschichten, gespickt mit ein paar Liebeswirren und jeder Menge Rezepten.

Als Geschenk für: Papa, den besten Freund
Spannungsfaktor: 5 von 10
Häufigster Satz: Wenn ich das im Club erzähle...
Seltsamstes Rezept: Sauerkraut mit Fasan und Austern

Dienstag, 16. Juli 2013

Der Anfang

Der Anfang war nicht Winnie Puuh. Nein, auch wenn man das schnell glauben könnte. Den Anfang machte das Dampfkarussell. Es drehte sich Abend für Abend in meinem Kinderzimmer. Ende der 80er Jahre war die Hochzeit des Dampfkarussells schon lange vorbei. Heute ist es anscheinend ganz tot, besitzt noch nicht mal einen eigenen Wikipedia Eintrag.

Mein Dampfkarussell aber war quicklebendig und besuchte mich jeden Abend, begleitet von seinem Besitzer, dem Schausteller, einem frechen Dackel und einem Mäuse Ehepaar. Zusammen erlebten sie die verrücktesten Geschichten, die sich seltsamerweise immer wieder mit meinem Leben überschnitten. So lernte das Dampfkarussell just an jenem Tag, als ich meine Kinderzimmertapete mit Wachsmalern verschönert hatte, ein kleines Mädchen kennen, das genau die gleiche Schandtat begangen hatte.

Die erzieherischen Versuche meiner Mutter, die sich über Jahre hinweg jeden Abend für mich in die Welt des Dampfkarussells träumte, waren zugegebenermaßen nicht besonders unauffällig. Dafür aber wirksam. Schließlich war das von ihr erfundene Dampfkarussell mein größter Held. Und der Anfang meiner Begeisterung für Geschichten.

Und somit auch irgendwie der Anfang dieses Blogs über Bücher und mein Leben mit ihnen.